Bereits bei der Vorgängerstudie im Jahr 2017 war sie mit dabei: Christa Gebel, Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, koordinierte als Teil des Forschungsteams die Durchführung des Jugendmedienschutzindex 2022.
Wir haben bei ihr nachgefragt, welche Ergebnisse der Studie sie besonders beschäftigt haben.

 

Welches Ergebnis des Jugendmedienschutzindex 2022 hat Sie am meisten überrascht?

43 Prozent der 9- bis 16-Jährigen haben auf die Frage, ob sie schon einmal online gemobbt worden sind, mit „ja“ geantwortet. Das ist sehr viel, selbst wenn man bedenkt, dass Heranwachsende den Begriff alltagssprachlich verwenden. Es ist mehr als doppelt so viel wie 2017 und scheint auf den ersten Blick von anderen Studien abzuweichen. Man muss jedoch bedenken, dass die Heranwachsenden hier zu ihrer gesamten Online-Erfahrung gefragt werden. Der Online-Kontakt mit anderen setzt mittlerweile früher ein und hat sich in der Pandemie intensiver gestaltet.

Welcher Befragungsschwerpunkt der Studie war für Sie am spannendsten?

Das Handeln der Eltern war am interessantesten, weil sie in der Zeit der Pandemie unter starkem Druck standen. Die Kinder und Jugendlichen waren sehr viel mehr online, gleichzeitig gab es für viele Familien einen völlig veränderten Alltag, der ihnen viel abverlangt hat. Diesen starken Rückgang des schutzbezogenen Engagements hatten wir aber nicht erwartet. Eine größere Gelassenheit der Eltern kann man als Erklärung leider nicht heranziehen, denn ihre risikobezogenen Sorgen sind ja angestiegen.

Welche Erkenntnis sticht für Sie im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2017 am stärksten hervor?

Das Spannungsverhältnis zwischen Schutz und freiem Zugang zu Online-Angeboten. Die Verschiebung in den Einstellungen spiegelt sich auch in den Konflikten im Erziehungshandeln: etwas zu erlauben, obwohl es mit Risiken verknüpft ist bzw. etwas zu verbieten, obwohl das Kind dadurch ausgeschlossen wird. Dieser Grundkonflikt der Medienerziehung ist es, den man gar nicht genug würdigen kann und bei dem Eltern Entlastung durch einen guten Jugendmedienschutz brauchen. Gleichzeitig zeigt sich hier, dass die Prämisse des modernen Jugendmedienschutzes, Teilhabe durch Schutz und Befähigung zu ermöglichen, die Erwartungen der Eltern trifft.

Welchen Aspekt des Jugendmedienschutzindex 2022 würden Sie gerne noch genauer untersuchen?

Den Umgang mit dem technischen Jugendmedienschutz würde ich gern noch mehr vertiefen. Es ist erkennbar, dass er vor allem für die jüngeren Altersgruppen für wichtig gehalten wird. Und bei Kindern bis zehn Jahren wird er auch vermehrt eingesetzt, wenn auch bei Weitem nicht flächendeckend. Mich würde sehr interessieren, was da genau genutzt wird und nicht genutzt wird. Auch mögliche Hemmnisse wären interessant: Befürchten Eltern und Kinder zu starke Teilhabebehinderung? Fehlt es schlicht an Informationen, was möglich ist und wie es funktioniert? Wird es als kompliziert und aufwendig empfunden? Was würden sich die Eltern da wünschen?

Welche Ergebnisse wünschen Sie sich für eine eventuelle Wiederholung der Studie im Jahr 2027?

Vor allem wünsche ich mir für die Kinder und Jugendlichen einen Rückgang der negativen Online-Erfahrungen. Eltern sollen Grund haben, weniger besorgt zu sein und sich noch mehr zutrauen, ihrem Kind eine sichere Online-Nutzung zu ermöglichen. Und dass mehr Eltern und Heranwachsende die vorhandenen Hilfsangebote und Anlaufstellen kennen. Damit das nicht nur Wünsche bleiben, muss im Kinder- und Jugendmedienschutz noch viel passieren. Es ist nicht realistisch, von Eltern einfach mehr Engagement zu erwarten und von Kindern mehr Voraussicht. Eltern und Kinder brauchen eine sichere und unterstützende Angebotsgestaltung, flächendeckende Angebote zur Befähigung und leicht auffindbare und zuverlässige Hilfen, wenn doch etwas schiefgeht.

Wir sprachen mit Christa Gebel, Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.

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