Der Jugendmedienschutzindex beleuchtet die Sorgen, Einstellungen und Fähigkeiten von Eltern und Kindern sowie das schutzbezogene Erziehungshandeln von Eltern. Die Veränderungen und Verschiebungen gegenüber der letzten Befragung sind teilweise drastisch.

Onlinebezogene Sorgen der Eltern gestiegen – Heranwachsende stärker mit Online-Risiken in Kontakt

77 Prozent der Eltern sorgen sich um die Online-Sicherheit ihrer Kinder (2017: 73 %). Insbesondere Eltern von 11- bis 14-Jährigen zeigen sich besorgt. Dabei stehen Interaktionsrisiken, beängstigende Inhalte und Nutzungszeiten im Vordergrund.

  • Je älter die Heranwachsenden, desto geringer ist bei den Eltern der Stellenwert der Sorge um beängstigende Inhalte.
  • Nicht vertrauenswürdige Personen sind die Hauptsorge über alle Altersstufen hinweg.
  • Die Sorge um das zeitliche Ausmaß der Online-Nutzung gewinnt bei den Eltern von 11- bis 14-Jährigen an Bedeutung.

Anders als ihren Eltern bereiten Kindern und Jugendlichen vor allem Interaktionsrisiken (z. B. Lästereien, Beleidigung oder Hassrede) Sorgen. Obwohl in der aktuellen Befragung insgesamt weniger Heranwachsende onlinebezogene Sorgen äußern (2022: 44 %, 2017: 58 %) ist der Anteil derer, die bereits mit potenziellen Risiken in Berührung gekommen sind, mehrheitlich gestiegen.

Folgende negative Online-Erfahrungen haben Kinder und Jugendliche 2022 bereits häufiger erlebt als noch 2017:

48
%

kamen online mit verstörenden oder beängstigenden Inhalten in Berührung (2017: 31 %).

46
%

hatten Kontakt zu nicht vertrauenswürdigen Personen (2017: 21 %).

45
%

wurden online von anderen belästigt (2017: 20 %).

43
%

wurden online von anderen gemobbt (2017: 18 %).

Zustimmung zum Jugendmedienschutz weiterhin hoch

71 Prozent der Eltern ist der Schutz von Kindern bzw. Jugendlichen wichtiger als ein leichter Zugang zu allen Online-Angeboten. Auch die Heranwachsenden stimmen hier überwiegend zu. Technische Maßnahmen, wie z. B. Jugendschutzeinstellungen an Geräten, halten Eltern und Kinder vor allem für jüngere Altersgruppen (9- bis 11-Jährige) für sinnvoll. Zudem sehen 92 Prozent der Eltern sich selbst in der Pflicht, ihre Kinder vor Risiken und negativen Erfahrungen im Netz zu schützen.
Insbesondere Medienanbieter, Politik und Aufsichtsgremien sehen sie aber in der Mitverantwortung.

Im Vergleich zum Jugendmedienschutzindex 2017 zeigt sich: Trotz dieser überwiegend schutzorientierten Grundhaltung ist Eltern und Kindern der freie Zugang zu allen Online-Angeboten wichtiger geworden – die teilhabeorientierte Grundhaltung ist deutlich gestärkt.

Jugendliche kompetenter als ihre Eltern

Bei der Einschätzung der Online-Kompetenzen unterscheiden sich die Selbst- und Fremdeinschätzung von Eltern und Heranwachsenden kaum. Während den jüngeren Kindern von beiden Seiten geringere Fähigkeiten hinsichtlich der allgemeinen Online-Kompetenzen zugeschrieben werden, nehmen Eltern Kinder ab 13 Jahren bereits als kompetenter wahr – und diese nehmen sich auch selbst so wahr.

Die Fähigkeit, speziell mit negativen Online-Erfahrungen umzugehen, wird höher geschätzt, je älter die Heranwachsenden sind. Das gilt sowohl für die Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen als auch für die Einschätzung durch die Eltern. Wobei die Heranwachsenden ihre Bewältigungsfähigkeiten durchgängig etwas höher einschätzen als es ihnen die Eltern zutrauen.

Die Fähigkeit der Eltern sie bei negativen Online-Erlebnissen zu unterstützen, schätzen die Kinder mit zunehmendem Alter geringer ein. Hier ist der Wendepunkt bei den 13- bis 14-Jährigen durchlaufen: Sie schätzen ihre eigenen Fähigkeiten mit negativen Erlebnissen zurechtzukommen im Durchschnitt etwas besser ein als die Unterstützungsfähigkeiten der Eltern.

Jugendmedienschutzbezogenes Handeln der Eltern rückläufig

Das schutzbezogene Erziehungshandeln zeigt an, welche Maßnahmen Eltern im Alltag praktizieren und welche Altersgruppen sie dabei im Blick haben. Die Ergebnisse der Studie zeigen ein insgesamt rückläufiges Engagement der Eltern in Bezug auf den Schutz ihrer Kinder vor Online-Risiken. Nur Eltern von 9- bis 10-Jährigen engagieren sich gleichbleibend hoch wie noch 2017.

Nehmen Eltern Schutzmaßnahmen vor, dann setzen sie vor allem

  • zeit- und inhaltebezogene Regeln,
  • beachten Alterskennzeichen und
  • sprechen mit ihren Kindern über die Online-Nutzung.

Bei den 9- bis 10-Jährigen geben 62 Prozent der Eltern an, Kinderschutzfunktionen in einer App aktiviert zu haben. Dieser Anteil geht bei Eltern von 11- bis 12-Jährigen schon deutlich zurück, hier nutzen nur noch 38 Prozent diese Möglichkeit. Ab 13 Jahren trifft das nur noch auf eine kleine Minderheit zu. Insgesamt etwas geringer fällt der Anteil der Eltern aus, die eigens eine Jugendschutzsoftware installiert haben.

Die Altersangemessenheit der Schutzaktivitäten stellt für Eltern eine Herausforderung dar, denn der Konflikt zwischen Schutz- und Teilhabemotiven erfordert für die unterschiedlichen Altersstufen unterschiedliche Gewichtungen und kann zu Konflikten im Erziehungshandeln führen.

Für einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz

Die Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex zeigen, dass Eltern zwingend weitreichend und niedrigschwellig über neuartige Risiken und Risikopotenziale unterschiedlicher Angebote aufgeklärt werden müssen. Für Kinder und Jugendliche müssen Initiativen und pädagogische Angebote ausgebaut werden, in deren Rahmen nicht nur Risikopotenziale und Schutzmöglichkeiten erklärt werden, sondern die auch Resilienz und Coping-Strategien fördern und eine altersabhängige Unterstützung bei der Nutzung und Konfiguration von Schutzfunktionen und Vorsorgemaßnahmen bieten.

Das sagen:

Dr. Niels Brüggen,
Leiter der Forschungsabteilung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

„Die Rolle von Eltern im Jugendmedienschutz ist anspruchsvoll und sie brauchen dringend Unterstützung, um ihren Kindern Schutz und Teilhabe altersgerecht zu ermöglichen.“

Copyright (c) JFF

Dr. Claudia Lampert,
Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI)

„Die Herausforderungen der Online-Nutzung für Kinder und Jugendliche verlagern sich immer deutlicher auf Interaktionssituationen. Dafür brauchen wir neue Ansätze der Befähigung im erzieherischen Jugendmedienschutz. Dies kann nur dann durch enge Zusammenarbeit von pädagogischen Stellen und Anbietern gelingen, wenn Kinder und Jugendliche frühzeitig in die Entwicklung der Angebote einbezogen werden.“

Copyright (c) HBI/D. Ausserhofer

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