Eine harmonisierte und umfassende Regulierung digitaler Dienste in ganz Europa zu schaffen – das ist das erklärte Ziel des Digital Services Act (DSA). Ein Meilenstein für die Medienregulierung über Ländergrenzen hinweg. Ein Fokus liegt dabei auf dem Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Seit Sommer 2023 sind die von der EU-Kommission benannten großen Plattformen (VLOPs) und Suchmaschinen (VLOSEs) zur Einhaltung des DSA verpflichtet. Seit Februar 2024 ist der DSA vollumfänglich wirksam. Zwischen der EU-Kommission und Diensteanbietern ist aber noch einiges auszutarieren. So macht der DSA im Wochentakt Schlagzeilen. Umso erfreulicher ist es, dass auch die Umsetzung des DSA in Deutschland durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) langsam Form annimmt.

Was bisher geschah...

19. Oktober 2022
Das Europäische Parlament und der Rat unterzeichnen die EU-Verordnung 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (DE: Gesetz über digitale Dienste, EN: Digital Services Act).

16. November 2022
Der Digital Services Act tritt in Kraft.

25. August 2023
Sehr große Plattformen (VLOPs) und Suchmaschinen (VLOSEs) müssen erste DSA-Vorgaben umsetzen (bspw. Transparenzregeln und Beschwerde-Möglichkeiten einrichten).

17. Februar 2024
Der DSA gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten, ohne dass es einer weiteren nationalen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedarf.

14. Mai 2024
In Deutschland tritt das Digitale-Dienste-Gesetz in Kraft, um die nationalen Vorschriften auf Bundes- und Länderebene an die DSA-Vorgaben anzupassen. Die Bundesnetzagentur nimmt ihre Arbeit als zentraler Koordinator für Digitale Dienste in Deutschland auf.

Fortsetzung folgt:
2027 soll eine Evaluation des DSA durchgeführt werden.

Privatsphäre, Sicherheit und Schutz

Für den Jugendmedienschutz ist Artikel 28 DSA zentral. Dieser nimmt Anbieter in die Pflicht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz für minderjährige Nutzerinnen und Nutzer zu gewährleisten. Neben der Risikobewertung und -minderung sollen Online-Dienste außerdem

  • Unterstützungsfunktionen für Eltern,
  • niedrigschwellige Hilfsmechanismen für Kinder und Jugendliche,
  • kinderfreundliche Beschwerde- und Meldesysteme,
  • besondere Datenschutz- und Sicherheitseinstellungen für junge Nutzerinnen und Nutzer sowie
  • kindgerechte Informationen zu Nutzungsbedingungen

integrieren. Der DSA verbietet zudem, Minderjährigen personalisierte Werbung auszuspielen oder manipulative Designs und Prozesse (Dark Patterns) zu nutzen. Da das Jugendschutzgesetz (JuSchG) und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Deutschland bereits für einen hohen Schutzstandard für Kinder und Jugendliche sorgen, sind viele Elemente des DSA schon in der deutschen Jugendmedienschutzlandschaft verankert. In diesem Kontext sorgt nicht zuletzt die FSM als Selbstkontrolleinrichtung seit vielen Jahren für zukunftsfähigen Jugendschutz, der auf neue Herausforderungen reagiert und hilft, junge Menschen für einen sicheren und selbstbewussten Umgang mit Medien stark zu machen.

So berät die FSM ihre Mitgliedsunternehmen aus rechtlicher und medienpädagogischer Perspektive beispielsweise im Bereich der Vorsorgemaßnahmen. Hinzu kommt, dass sich auch die nicht vollständig der deutschen Gesetzgebung unterworfenen Mitgliedsunternehmen der FSM durch die Anerkennung der FSM-Verhaltenskodizes in vielen Bereichen zur Einhaltung des deutschen Jugendmedienschutzrechts verpflichten.

 

„Die FSM-Beschwerde­stelle hat sich über die Jahre hinweg als vertrauenswürdiger Hinweisgeber bei zahlreichen Anbietern etabliert. Wir setzen uns dafür ein, diese Arbeit auch als Trusted Flagger nach DSA fortzuführen.“

Martin Drechsler, FSM-Geschäftsführer

Martin Drechsler

Entfernung illegaler Online-Inhalte

Neben Schutz- und Vorsorgemaßnahmen regelt der DSA auch Mechanismen für die Eindämmung illegaler Online-Inhalte. In diesem Bereich ist die FSM mit ihrer Beschwerdestelle bereits seit über 25 Jahren aktiv und von allen relevanten Plattformen (auch über die Mitgliedsunternehmen hinaus) als vertrauenswürdiger Hinweisgeber, sog. Trusted Flagger, anerkannt. Unter anderem war die FSM auch daran beteiligt, erste Trusted Flagger-Strukturen gemeinsam mit Anbietern aufzubauen.

Dass dieses Best Practice nun Einzug in die europäische Medienregulierung gefunden hat, ist zu begrüßen. Bei der Umsetzung in Deutschland sind allerdings noch einige Fragen offen. Neben der Rechtsharmonisierung im Bereich Jugendmedienschutz sorgt der DSA aber auch dafür, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) fast vollumfänglich seine Wirksamkeit verliert. Da die Mechanismen der Regulierten Selbstregulierung im Hinblick auf illegale Hassrede trotz großen Potenzials nicht im DSA verankert wurden, hat die FSM ihre Arbeit als NetzDG-Selbstkontrolle Ende Juni 2023 eingestellt (mehr dazu im Kapitel NetzDG).

Über den DSA hinaus

In Einklang mit der Better Internet for Kids (BIK) Strategie der Europäischen Kommission befasst sich ein Netzwerk an Akteurinnen und Akteuren seit über zehn Jahren mit der Förderung des positiven Jugendmedienschutzes auf europäischer Ebene sowie in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Teil der neuen BIK+ Strategie der EU-Kommission von 2022 ist unter anderem die Förderung von Age-Appropriate-Design. Zu diesem Zweck hat die EU-Kommission im Frühjahr 2023 die Special Group on the EU Code of Conducton Age-Appropriate Design einberufen, zu der auch die FSM gehört. Bewerben konnten sich Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Mehr über das Thema „Age-Appropriate Design“ erfahren Sie in der Aufzeichnung des medien impuls vom 9. Mai 2023: Teil 1 & Teil 2

Ausblick

Der Digital Services Act markiert einen bedeutenden Schritt für den Jugendmedienschutz über europäische Landesgrenzen hinweg. Die Umsetzung des DSA und die Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission, nationalen Behörden, Dienstea- bietern und anderen Stakeholdern – wie den Selbstkontrolleinrichtungen – werden entscheidend sein, um diese Ziele zu erreichen und den Jugendmedienschutz in Europa weiter zu stärken.

Vorgestellt

Jugendgerechte AGB

Lästiges Kleingedrucktes? Bei der Registrierung für Online-Dienste werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oft schnell akzeptiert und reflexartig weggeklickt.

In Kooperation mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis erarbeitete die FSM im Herbst 2023 Orientierungshinweise für die jugendgerechte Ausgestaltung von AGB. Gefördert wurde das Projekt von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ).

Jugendgerechte AGB nach DSA

„Richtet sich ein Vermittlungsdienst in erster Linie an Minderjährige oder wird er überwiegend von Minderjährigen genutzt, so erläutert der Anbieter von Vermittlungsdiensten die Bedingungen und jegliche Einschränkungen für die Nutzung des Dienstes so, dass Minderjährige sie verstehen können.“ (Art. 14 Abs. 3 DSA)

Eine ähnliche Vorschrift fand sich bis zum Inkrafttreten des DDG auch im deutschen Jugendschutzgesetz (JuSchG – ehemals § 24a Abs. 2 Nr. 8).

Wie können kinder- bzw. jugendgerechte AGB aussehen?

Jugendgerechte AGB nehmen Kinder und Jugendliche als Akteure im Netz ernst und wollen sie vor Risiken schützen sowie zu informierten Entscheidungen befähigen. Eine direkte Umformulierung der AGB in leicht verständliche Sprache hätte jedoch eine Komplexitätsreduktion zur Folge und würde zu juristischen Ungenauigkeiten in der Vereinbarung führen. Jugendgerechte AGB sind deshalb keine AGB im eigentlichen Sinne, sondern erläuternde Zusätze, die die in den AGB enthaltenen „Bedingungen und Einschränkungen“ für Minderjährige verständlich machen. Für die Ausgestaltung oder Darstellung gibt es keine rechtlichen Formvorschriften.

Die wichtigsten Empfehlungen

  1. Leichte Auffindbarkeit und Kontaktpunkte: bei der Registrierung, vor der Anmeldung, während der Nutzung im Browser sowie innerhalb der App und über weitere durch Jugendliche genutzte Informationswege
  2. Jugendgerechte Form und Gestaltung: Hervorhebung und niedrigschwellige Darstellung der für Jugendliche relevanten Themen, z. B. einfache Navigation und Zusammenfassungen, Einbeziehung von Bild- und Videoelementen, Formate abseits von rein textlichen Erläuterungen
  3. Verständlichkeit: Erläuterung informationstechnologischer und rechtlicher Begriffe, Veranschaulichung anhand von Beispielen in einem im Vergleich zu den AGB deutlich reduzierten Umfang, Anreize und Lesehilfen
  4. Entwicklung entlang der Bedürfnisse von Jugendlichen: multiperspektivische Herangehensweise (Forschung, Recht, Jugendschutz, Kommunikation), ausgehend vom Mindestalter der Nutzenden, Altersdifferenzierung, Partizipation und Ko-Kreation mit der Zielgruppe
  5. Zusammenarbeit, Kooperation und Öffentlichkeitsarbeit: Aufklärung und Unterstützungsangebote für Eltern, Erziehende und pädagogische Fachkräfte; Kooperationen mit externen Medienbildungsangeboten

Die Empfehlungen berücksichtigen neben rechtlichen und medienpädagogischen Perspektiven auch die Sichtweisen und Bedarfe von Jugendlichen selbst. Sie bieten Anbietern eine Orientierung zur Erfüllung der Vorgaben des DSA, sind dabei jedoch weder abschließend noch verbindlich.

Neben den Empfehlungen der Projektgruppe finden Sie auf der Projektwebsite außerdem rechtliche Hintergründe zu Art. 14 Abs. 3 DSA, eine Analyse von AGB und bisherigen Unterstützungsmaßnahmen für Minderjährige sowie ein Methodenset zur partizipativen Überprüfung und Weiterentwicklung von jugendgerechten AGB.

 

In Kooperation mit

Desinformation und
Hate Speech

Aufklärung und Empowerment durch
Medienbildung

Neuer Höchststand
verzeichnet

Immer mehr Menschen melden problematische Online-Inhalte